Diskussionsrunde: Was tun bei Hetze und Diffamierung gegen Privatpersonen im Netz?
Wie schnell sich eine kleine Falschmeldung verselbstständigen kann und zu einer großen Hetzkampagne im Netz wird, musste eine Deggendorfer Lehrerin am eigenen Leib erfahren. Doch wie geht man mit solchem Cyber-Mobbing um? Das sollte bei einer Diskussionsrunde am Mittwochabend im Georg-Rörer-Haus geklärt werden.
Sonja Würf unterrichtet die Fächer Deutsch und Erdkunde am Robert-Koch-Gymnasium. Privat engagiert sich die Oberstudienrätin in der Flüchtlingshilfe und im Deggendorfer Verein „Netzwerk für kulturelle Vielfalt“. 2013 wurde sie von Bildungsminister Dr. Ludwig Spaenle mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet.
Engagierte Lehrerin
Im Praxis-Seminar ihrer Oberstufenklasse zum Thema „Projektmanagement“ betreute sie im Dezember eine Weihnachtsaktion. Hierbei wurden schulübergreifend und mit ehrenamtlicher Hilfe 500 Geschenkepäckchen für Flüchtlingskinder in Deggendorf zusammengepackt.
Im Bericht einer Deggendorfer Zeitung über diese Aktion entstand durch eine falsch wiedergegebene Aussage der Lehrerin öffentlich der Eindruck, sie würde Schüler benachteiligen, die sich nicht an der Flüchtlingsaktion beteiligen wollen, so Würf und ihr Anwalt. Daraus machte die rechtspopulistische Online-Plattform „PI News“ die Falschmeldung „Gymnasiasten müssen Strafarbeiten schreiben, wenn sie nicht an Flüchtlingsaktion teilnehmen“. Im Netz verselbstständigte sich diese Nachricht und wurde in unzähligen Foren und auf verschiedenen Seiten geteilt und verlinkt. Obwohl die betroffene Zeitung eine Richtigstellung des Schulleiters Heinz-Peter Meidinger abdruckte, erhielten Lehrerin und Schule unzählige Hass-Mails, Anrufe und Drohungen.
Das Gespräch sollte Betroffene und Experten zu Wort kommen lassen. Eingeladen hatten der evangelische Pfarrer Gottfried Rösch und Helga Hanusa vom Verein „Opferberatung B.U.D.“, der Beratung, Unterstützung und Dokumentation bei rechter Gewalt anbietet.
Hilfe bei Denunziation Zunächst stellte Rösch den aktuellen Fall kurz vor: Er zeigte sich entsetzt, dass eine humanitäre Aktion, die in ein pädagogisches Konzept eingebunden war, solche Hassreaktionen professioneller Neo-Nazis innerhalb von so kurzer Zeit hervorrufen konnte. Rösch mahnte an, dass sich Engagierte dennoch nicht zurückziehen und einschüchtern lassen sollten. Wichtig sei, dass sich die Zivilgesellschaft nicht kaputt machen lasse.
Diese Angriffe auf Einzelpersonen seien gezielt gesteuert und würden nur nach einem Aufhänger suchen, um Hetzkampagnen zu starten. Rechtsanwalt Nils Pütz aus Regensburg, der Würf vertritt, betonte, wie wichtig es sei, im Fall von Cyber-Mobbing sofort zu reagieren: Erster Schritt sei es, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten sowie sich an Beratungsstellen zu wenden. Ein Anwalt könne helfen, gegen falsche, verleumdende oder beleidigende Darstellungen in den alten und neuen Medien rechtlich vorzugehen.
Im Impressum einer Zeitung oder Webseite sei normalerweise der oder seien die Verantwortlichen genannt, an die man sich wenden könne. Im Fall der rechtsgerichteten „PI-News“ sei das allerdings nicht der Fall, so Robert Andreasch, freier Journalist aus München. Er arbeitet unter anderem für die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München und beobachtet die Online-Plattform schon seit Jahren.
Cyber-Mobbing: Was tun?
Dennoch sei der technische Administrator bekannt, zudem würden viele, die dort posten, ihren richtigen Namen verwenden, und außerdem seien deutsche Bankverbindungsdaten für Spenden hinterlegt. Hier fordert Andreasch die Behörden auf, zu handeln und den Schaden, den solche Seiten anrichten können, ernst zu nehmen. Denn: Egal, ob erfunden oder wahr, von jeder Schmutzkampagne bleibe etwas hängen bei den Leuten.
Der Schaden bleibt
Helga Hanusa von der Opferberatung erzählte, dass engagierte Menschen, die ins Fadenkreuz solcher Hetze gelangten, die Schuld meisterst einmal bei sich selbst suchten. Hier sei es wichtig, sich schnellstmöglich professionelle Beratung und rechtlichen Beistand zu holen.
Dass die letzten Monate nicht leicht für Sonja Würf waren, sieht man ihr an. Bei ihren Schilderungen merkt man ihr den ungläubigen Schock ob der Dinge, die da über sie hereingebrochen sind, an.
Auch wenn die Lehrerin und ihr Anwalt beim Kampf gegen die rechte Hetze im Netz einige Etappensiege verbuchen konnten, ploppt bei der Google-Suche in Verbindung mit ihrem Namen immer noch die Meldung auf der besagten Online.Plattform auf. Ihr Anwalt sagt: „Das Netz vergisst nichts.“ Oder es ist zumindest nicht leicht, das Netz vergessen zu machen.