Wie eine Packerl-Aktion eine Hass-Welle auslöste


Rechtes Internet-Portal verfälschte DZ-Bericht über die Weihnachtsaktion der Schulen ohne Rassismus

Mitten im vorweihnachtlichen Deggendorf hat dieser Tage die Fratze der Wut-Kultur eine ganze Schulfamilie erschreckt. Die Deggendorfer Zeitung wollte wissen, wie deren Mechanismen funktionieren.

Die Schulen ohne Rassismus im Landkreis Deggendorf haben in der vergangenen Woche eine Weihnachtspäckchen-Aktion für die Flüchtlingskinder im Landkreis durchgeführt. Über 500 Päckchen wurden von Schülerinnen und Schülern gepackt, vorab der Bedarf abgefragt, alles organisiert und mit viel Mühe und Liebe durchgeführt. Eine wundervolle Geschichte. Die Ernte: Über 450 Hassmails, Drohanrufe, niveauloseste Beschimpfungen aus dem Lager der Flüchtlingsgegner. Das ist erschreckend, interessant ist aber, dass nur ein Bruchteil der Beschwerden aus Deggendorf kam, aus dem Lager von Eltern und Schülern kam gar nichts.

Am Robert-Koch-Gymnasium steht die Welt Kopf. Seit dem DZ-Artikel über die Weihnachtspäckchenaktion für die Flüchtlingskinder klingelt das Telefon. Am Anrufbeantworter sind Anrufe mit Beschimpfungen und Drohungen gegen eine Lehrerin gespeichert. Die E-Mail-Postfächer quellen über. Bei der betreffenden Lehrerin sind bis gestern über 400 Mails eingegangen, bei Schuldirektor Heinz-Peter Meidinger waren es über 50 Mails. Nur eine der Zuschriften für Meidinger war aus Deggendorf, auch bei der Lehrerin waren es nur ganz wenige aus der Region. Alle anderen kamen von Absendern aus ganz Deutschland.

Auslöser der Schmutz-Welle war ein Beitrag auf einem einschlägigen, dem rechten Milieu zuzuordnenden Blog unter der Überschrift „Gymnasiasten müssen Strafarbeit schreiben, wenn sie nicht an Flüchtlingsaktion teilnehmen“. Eine Aussage aus dem DZ-Artikel war darin bewusst verfälscht worden. In der DZ war zu lesen, dass Kinder, die sich nicht an der Päckchenaktion beteiligen wollen, im Rahmen der üblichen Hausarbeiten als Aufgabenstellung ihre Ablehnung argumentieren können. Obwohl eindeutig aus dem Text hervorgeht, dass es sich um keinerlei Zusatz-Aufgabe handelt, wurde der DZ-Bericht bewusst in einen falschen Zusammenhang gebracht. Die Lehrerin und die Schulleitung sollten an den Pranger gestellt werden, weil sie die armen deutschen Kinder, die den Muslimen nichts zu Weihnachten schenken wollen, ideologisch umerziehen. Statt Deggendorf wird DDR 2.0 geschrieben und plakativ durchgestrichen.

Der Effekt kann sich vom Umfang her sehen lassen: Fast 300 durch Pseudonym anonymisierte Leserreaktionen gab es bis gestern zu der Geschichte auf der einschlägigen Homepage. Zudem haben die ebenfalls anonymen Seitenbetreiber gleich noch die E-Mail-Adressen der Schule und des Netzwerks für Kulturelle Vielfalt mit eingebaut. Da wundert es dann auch nicht, dass der anonyme Anrufer, der mit insgesamt fünf Telefonaten seiner Wut Luft gemacht hat, in breitestem Sächsisch seine Beschimpfungen und Drohungen los wird.

Robert-Koch-Schulleiter Heinz-Peter Meidinger bestätigte gestern im Gespräch mit der DZ, dass aus den Reihen von Eltern und Schülern keine einzige Beschwerde bei der Schule eingegangen sei. „Wir sind schockiert, dass die ganze Arbeit und Energie, die unsere Lehrerin mit den Schülern in dieses tolle Projekt gesteckt hat, so zunichte gemacht werden soll.“ Dass die Reaktionen aus ganz Deutschland kommen, bestätigt Meidinger. Auch, dass die Polizei dem anonymen Anrufer nachgehe, sei der Schule wichtig.

Dass Meidinger auf die ersten Mails am Montag in der Deggendorfer Zeitung mit einer Stellungnahme reagiert hat, war den Betreibern der einschlägigen Plattform übrigens egal. Dort steht bis heute der Artikel unverändert, bewusst wird die falsche Auslegung in Kauf genommen, um möglichst viel Wut und Hass zu generieren.

 

Quelle: Deggendorfer Zeitung, 16.12.2016